Somatische Marker - habe ich das?

Bestimmt erinnern Sie sich an die Geschichte von Rotkäppchen,wie sie der kranken Grossmutter Kuchen und Wein bringen sollte und sich nichts Böses dachte, als sie im Wald den Wolf traf. Seltsam kam es Rotkäppchen erst vor, als sie ankam, die Tür offen stand und die Grossmutter so wunderlich aussah. - „Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!“ - Und sie realisierte, dass ihr ganz ängstlich zu Mute war. Wenn sie auf das mulmige Gefühl gehört hätte,  wäre sie vermutlich so schnell wie möglich davon gerannt!

Bestimmt kennen auch Sie Situationen, in denen Ihr Bauchgefühl ein guter Ratgeber gewesen wäre. Zum Beispiel können Ihre Körpersignale darauf hinweisen, dass es Zeit ist, schlafen zu gehen. Und trotzdem bleiben Sie vor dem Fernseher oder dem Computer hängen, obwohl Sie eigentlich genau spüren, was Sie brauchen würden.  

Diese diffusen Gefühle sind Ihre somatischen Marker[1], die Ihnen in solchen Situationen entweder zu verstehen geben „Ja, mach doch“ (z.B. mit einem angenehmen Kribbeln im Bauch, oder mit einer Leichtigkeit im Brustraum) oder „Finger weg davon“ (z.B. mit einem Enge-Gefühl oder einem Ziehen im Bauch). Man könnte diese Gefühle auch Ihr Körperwissen[2]oder Ihre Intuition nennen. 

Vernunft statt Gefühle?

Gehören Sie zu den Menschen, die diesen Fähigkeiten eher kritisch gegenüber stehen und besser der Vernunft statt den Gefühlen trauen? Ganz recht, hinterfragen Sie Ihre körperlichen Signale nur kritisch. Wenn Sie zum Beispiel in den Ferien in die Karibik oder nach Südafrika fliegen möchten, jedoch unter Flugangst leiden, dann werden Ihnen Ihre somatischen Marker deutlich zu verstehen geben, doch eine Feriendestination in der näheren Umgebung zu wählen. Bestimmt würden Sie auch in Österreich tolle Ferien verbringen – wenn Sie nur nicht so gern in die Karibik wollten! Entschliessen Sie sich nun, sich diesen lang gehegten Reisetraum zu erfüllen, dann kommen Sie nicht darum herum, entgegen der Hinweise durch Ihre somatischen Marker ein Flugticket zu buchen -  und dann vermutlich mit schwitzenden Händen Ihre Reise anzutreten, vielleicht im Kopf positive Statistiken über die Sicherheit des Flugverkehrs. 

Auch nach schwierigen oder traumatischen Erfahrungen können Ihnen Ihre somatischen Marker zwar gut gemeinte, jedoch nicht immer längerfristig hilfreiche Hinweise geben. Haben Sie zum Beispiel verschiedene schwierige Beziehungserfahrungen gemacht oder auch einen Verlust erlebt, senden Ihre somatischen Marker vermutlich sehr kritische Signale, wenn Sie darüber nachdenken, eine neue Beziehung einzugehen. Tatsächlich können diese Hinweise als Warnsignale verstanden werden, nicht wieder in eine ähnliche, schwierige Situation zu kommen. Ob sie aktuell wirklich begründet und angemessen sind, kann im achtsamen Umgang mit neuen Erfahrungen immer besser differenziert werden. 

Eine Einladung zu experimentieren

Denken Sie beim Ziehen im Bauch vor allem an eine Magenverstimmung oder einen Grippevirus? Körperlichen Signalen wurde bisher in unserem Kulturkreis kein allzu hoher Stellenwert beigemessen - ganz anders als der Vernunft. Heute weisen neuere wissenschaftlichen Erkenntnissen mehr und mehr auf die Bedeutung von somatischen Markern hin. Bis ein Kulturwandel jedoch einzieht, und somatische Marker auch im Alltag einen höheren Stellenwert erhalten, wird sicherlich noch einige Zeit vergehen. Es muss ja nicht immer eine Revolution sein! Persönlich können wir uns schon jetzt erlauben, unsere somatischen Marker wahrzunehmen, verschiedene Körpersignale zu unterscheiden, einzuordnen und ernst zu nehmen. 

Beginnen Sie zu experimentieren! Wie fühlt sich Ihr Körper an, wenn Sie gerade vom Sport kommen? Wie fühlt sich Ihr Körper an, wenn Sie etwas erreicht haben? Wie fühlt sich Ihr Körper an, wenn Sie an etwas Unangenehmes denken? Und wie fühlt sich Ihr Körper an, wenn Sie an etwas Angenehmes denken? Gönnen Sie sich dafür einen Moment, heissen Sie Ihre Empfindungen und Gefühle willkommen und lassen Sie sich überraschen, ob dabei noch weitere, angenehme Erinnerungen aktiviert werden. 

 

Somatische Marker haben auch eine hohe Bedeutung in Entscheidungssituationen und bei Lebensfragen. Möchten Sie Ihre somatischen Marker vermehrt als Ressource einsetzen? Wenn Sie dabei eine Begleitung wünschen, kontaktieren Sie mich.

 

 

Zusätzliche Informationen über somatische Marker finden Sie hier:

 

http://majastorch.de/download/GG_somatische_marker.pdf

https://www.youtube.com/watch?v=t3ToA8WTTPE&t=10s

 

 


[1]Nach Damasio, A.: Decartes’ Irrtum. Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn. München: List 1994.

[2]Nach Schmidt, G.: Das Körperwissen (Somatische Marker) als Supervisor für Bedeutungsprojektionen. Vortrag am Kongress ‚Hypnotherapie und Psychodynamik - Jahrestagung der Milton-Erickson-Gesellschaft’, Bad Orb, März 2008.